Premiere: 9. Oktober 2010
Inszenierung > Volker HesseMusikalische Leitung > Hans KaulDramaturgie > Winnie KarnofkaAusstattung > Marina HellmannChoreographie > Jo Siska
mit > Benjamin Berger / Gaby Dey / Angelika Fornell / Lutz Gebhardt / Paula Hans / Katharina Heyer / Andreas Jeßing / Nikolaus Kühn / Karl Miller / Gerrit Neuhaus / Gerd Peiser / Anja Schreiber / Moritz Bracher / Jakob Jockers
"Du wartest. Das sagte sie streng. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, sie strich ihm über die Wange, und Peter war froh. Er dachte an die Bockwürstchen, die die Dame in Scheune ausgerufen hatte, vielleicht gab es hier welche, er wollte seiner Mutter suchen helfen, überhaupt helfen wollte er ihr, er öffnete den Mund, aber sie duldete keinen Widerspruch, sie drehte sich um und tauchte in der Menschenmenge unter."
Der Krieg ist vorbei, jubelt der siebenjährige Peter. Wir verschwinden, sagt Peters Mutter, und so machen sich die zwei im Flüchtlingstreck von Stettin aus auf den Weg gen Westen. Das Grauen hinter sich lassen, dem Glück entgegen. Man kann es ja wieder wagen, an so etwas wie Glück oder Hoffnung zu denken, im Sommer 1945. Doch irgendwo auf einem Bahnhof im Pommerschen Niemandsland entschließt sich Peters Mutter, ihr Kind allein zurückzulassen.
Übergroß brennen sich die Erinnerungen dieser Kindheitstage in Peters Gedächtnis ein und noch Jahre später durchforstet er immer wieder seine Geschichte und die Lebensgeschichte seiner Mutter auf der Suche nach einer Erklärung, mit der er das Trauma jenes Verschwindens bewältigen kann.
In ihrem 2007 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman DIE MITTAGSFRAU erzählt die Autorin Julia Franck vom Leben in der Epoche zweier Weltkriege, von Familien, Kriegskindern und Kriegseltern, ihrer Sehnsucht nach Glück und den Versuchen, dem Schrecken dieser Zeit irgendwie standzuhalten. In Volker Hesses Theateradaption des Romans kreisen die Figuren immer wieder um das Thema Verlust. Sie sezieren, erzählen, erinnern und erfinden ihre Familiengeschichte, um die Leerstellen und Traumata der eigenen Biographie vielleicht irgendwann verstehen zu können.