FRAU MÜLLER MUSS WEG
von Lutz Hübner
Regie Gilbert Mieroph
Bühne/Kostüme Luisa Lange
Kampfchoreografie Jens Hollwedel
Dramaturgie Maxi Ratzkowski
Patrick Jeskow Peter Princz
Marina Jeskow Anja Schreiber
Katja Grabowski Sabrina Strehl
Jessica Höfel Ute Menzel
Wolf Heider Daniel Koch
Die besorgte Elternschaft der Klasse 4b hat die
Klassenlehrerin Frau Müller um einen Termin gebeten, offenbar scheint es Probleme in der Klasse zu geben. Die Kleinen stehen gerade an einem entscheidenden Punkt ihrer schulischen Karriere, wird
sich doch am Schuljahresende zeigen, wer den Sprung auf das Gymnasium schafft – und wer eben nicht. Für die Eltern auf ihren Kinderstühlchen ist längst klar, wer die Schuld an der Misere trägt:
Die erfahrene Lehrerin Sabine Müller scheint den pädagogischen Anforderungen seit einiger Zeit nicht mehr gewachsen zu sein. Jeder der Anwesenden ist davon überzeugt, dass das Problem nicht bei
den Schülern zu suchen ist, sondern ganz woanders: Wessis haben was gegen die Lehrerin aus dem Osten, Ossis finden die Westkinder völlig verzogen, soziale Vermischung schön und gut, aber doch
nicht in der Klasse meines Kindes! Letztlich geht es darum, die Bälger irgendwie durchzukriegen! Die Fronten in diesem Kampf sind klar.
Lutz Hübner ist seit über zehn Jahren der meistgespielte
Gegenwartsdramatiker auf deutschen Bühnen. Heiter-satirisch und entlarvend komisch führt seine Lust am Erzählen das Publikum mitten hinein in das Spannungsfeld von PISA-Test und
Helikopter-Eltern. Eine Karikatur auf unser Bildungssystem.
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Von Ludmila Thiele
erschienen am 28.12.2014
Zwickau. Sich an der eigenen Nase zu fassen, statt anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist immer am schwierigsten. Aber gerade das verlangt die erfahre Klassenlehrerin Sabine Müller
(Else Hennig) von der aufgebrachten Elternschaft der Klasse 4b im Schauspiel von Lutz Hübner "Frau Müller muss weg". Kürzlich war Premiere im Theater in der Mühle in Zwickau.
Gilbert Mieroph - der neue Oberspielleiter des Theaters - gab mit dem Stück einen gelungenen künstlerischen Einstand als Regisseur, der eine Inszenierung auf die Bühne bringt, die laut und komisch und turbulent ist, die zum Lachen bringt, aber auch sehr nachdenklich macht. Über blinde Mutterliebe, über das "um sich schlagen" als Schutzmechanismus, über das "über Bord werfen" von Prinzipien, über das Anbiedern und die falsche oder fehlende Solidarität. Und natürlich über ein Schulsystem, in dem ein Zwischenzeugnis der Klasse 4 existenzielle Tragweite von apokalyptischem Ausmaß zu haben scheint.
In "Frau Müller muss weg" wird mit harten Bandagen gekämpft. Zuerst alle gegen eine, dann jeder gegen jeden: Frau gegen Mann, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, Wessis gegen Ossis, Wessis gegen Wessis, Ossis gegen Ossis. Hübners "Frau Müller muss weg" ist in gewisser Weise eine Weiterführung Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels" - mit gleicher zerstörerischer Wut, die die Protagonisten im Laufe der Handlung ans Tageslicht bringen. Es werden Bänke und Stühle umgeschmissen, es wird auf einander eingeprügelt, aber auch versucht, sich zu lieben - auf dem Klassenzimmerfußboden.
Neben Mieroph stellten sich auch die Neuzugänge Jens Hollwedel und Anja Schreiber dem Zwickauer Publikum vor - als das sich zerfleischende Ehepaar Patrick und Marina Jeskow. Sie, die Ehefrau, die dem Ehemann aus Köln in die ostdeutsche Provinz folgte, in der es nicht einmal eine Montessori-Schule gibt, in der sich ihr Kind verstanden und geachtet fühlte. Nun hat sie es satt, zu versuchen, im Osten anzukommen, wo sie nicht einmal die Sprache versteht. Der Streit mit ihrem Mann findet vor den Augen anderer Eltern statt, die sich eigentlich zusammengefunden haben, um Frau Müller dazu zu bewegen, die Klasse 4b abzugeben. Doch Frau Müller ist gar nicht dazu bereit. Sie sei "das beste Pferd" im Schul-Stall und nach 19 Jahren als Lehrerin gar nicht ausgebrannt. Und ihre "Therapie" ist eine "Physiotherapie". "Ich habe Rücken. Das werde ich wohl haben dürfen."
Sabrina Strehl wurde als Gast für die Rolle der Katja Grabowski engagiert, der einzigen Mutter der Klasse, deren Kind anscheinend keine schulischen Probleme hat, zumindest, was die Zensuren angeht. Ute Menzel stellt die resolute Elternsprecherin Jessica Höfel dar. Daniel Koch als Wolf Heider ist kein böser Wolf, aber auch kein Volltrottel, wie es anfangs scheint. Er ist nur ein besorgter Vater.
Am Ende bringt ein Irrglaube die Eltern dazu, Frau Müller förmlich anzubetteln, die Klasse doch nicht abzugeben, als die Lehrerin ihnen mitteilt: "Ich habe gegen meine Prinzipien gehandelt und habe mich hinreißen lassen, schlecht über Kinder zu sprechen, deswegen werde ich die Klasse abgeben." Doch Frau Müller gibt nach und geht nicht. Was kommt, ist eine große böse Überraschung - für die Eltern!