Glaube Liebe Hoffnung

Ödön von Horvath


Inszenierung > Nico Dietrich 

Ausstattung > Susanne Ruppert 

Dramaturgie > Henrik Kuhlmann

ELISABETH > Anja Schreiber ALFONS KLOSTERMEYER, ein Schupo > Benjamin Krüger PRÄPARATOR > Paul Wenning DER BARON MIT DEM TRAUERFLOR > Gerd Peiser IRENE PRANTL > Nadine Nollau FRAU AMTSGERICHTSRAT > Gaby Dey DER HERR AMTSGERICHTSRAT/ OBERPRÄPARATOR/ DER OBERINSPEKTOR > Ronny ThalmeyerJOACHIM, der tollkühne Lebensretter/ EIN INVALIDER/ EIN ZWEITER SCHUPO > Andreas Schneider MARIE > Sarah Schermuly

eine Kritik vom 08.05.2014:

 Ein typischer Horvath, dessen Stoff aus einem Tatsachenbericht des “Gerichtssaalberichterstatters” Lukas Kristl stammt: Zotig ist das Stück, bisweilen auch recht lustig (aber oft so, dass einem das Lachen eigentlich lieber im Hals stecken bleiben möchte), sozialkritisch, zielorientiert, nachdenklich machend. Es ist, wie Horvath selbst schreibt, ein Werk, geschrieben um “den gigantischen Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft zeigen zu können, dieses ewige Schlachten, bei dem es zu keinem Frieden kommen soll – höchstens, daß mal ein Individuum für einige Momente die Illusion des Waffenstillstandes genießt”.

 

Die Inszenierung

Recht traditionell präsentiert sich die Inszenierung von Nico Dietrich und wird dem Stück auf diese Weise absolut gerecht. Die vorhandenen Kürzungen im Text fallen nicht auf. Das große Drehbühnenbild von Susanne Ruppert lässt sich vielfältig nutzen und trägt dazu bei, dass die ohnehin nur 65-minütige Spielzeit noch kurzweiliger gerät. Die rar gesäten offensichtlichen Kunstgriffe wie zum Beispiel Schattenfiguren zu Beginn und am Ende der Aufführung sind sinnbehaftet und daher absolut gelungen. Da viele Figuren recht kurze Auftritte haben und auch inszenatorisch durchaus schemenhaft bleiben, liegt der Fokus des Publikums voll auf Elisabeth und ihrem ungerechtfertigten Leid.

 

Die DarstellerInnen

Das Ensemble des DT kann an diesem Abend voll überzeugen. Gaby Dey bringt eine wunderbare Frau Amtsgerichtsrat auf die Bühne, Nadine Nollau überzeugt als pseudotugendhafte Irene Prantl, einzig Paul Wenning zeigt als Präparator – sofern er nicht gerade den Choleriker spielen darf – ein paar kleinere Probleme mit der Natürlichkeit seiner Intonation. Benjamin Krüger ist gerade die richtige Besetzung für den schneidigen Schupo Alfons, ihm nimmt man jeden Charakterzug ab.

Besonders herauszuheben ist an diesem Abend Anja Schreiber. Sie sprang kurzfristig, mit nur dreitägiger Vorbereitungszeit, für die erkrankte Anna-Katharina Diener ein und präsentierte, nein, verkörperte wahrhaftig die Protagonistin. Da war förmlich keine Anja Schreiber mehr, nur noch Elisabeth, gedemütigt, am Boden, zerschollen an den Klippen der gesellschaftlichen Umstände. So im wahrsten Sinne des Wortes mitfühlend, dass sie am Ende der körperlich anstrengenden Vorstellung tatsächlich lieber wie Elisabeth weinen zu wollen schien, als sich lachend über den verdienten großen Applaus für ihre herausragende Leistung zu freuen. Verständlich, nach dieser emotionalen Achterbahnfahrt!

Fazit

Ein Theaterabend, so rund, wie man ihn selten sieht: Jede der 65 Minuten auszukosten, ist lohnenswert, aber auch naheliegend, fügen sich Stück und Inszenierung doch nahtlos ineinander und liefern ein äußerst stimmiges, zum Nachdenken anregendes Gesamtbild ab. Das begeisterte Publikum spendete lang anhaltenden Applaus und krönte mit besonderem Beifall die beste Leistung des Abends: Die Vorstellung ein einziger Triumphzug für Anja Schreiber!

Wertung: ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱ ✱

10 von 10 Sternen! 


GLAUBE LIEBE HOFFNUNG beginnt vor dem Anatomischen Institut einer großen Stadt. Es ist der Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1932. Die Arbeitslosigkeit hat einen historischen Höchststand erreicht, heute würde man wohl leider von »griechischen Verhältnissen« reden müssen. Elisabeth braucht dringend 150 Mark, um eine Vorstrafe für das Arbeiten ohne Wandergewerbeschein zu bezahlen. Deshalb möchte sie schon jetzt zu Lebzeiten ihre zukünftige Leiche für die Forschung verkaufen. Aus Mitleid leiht ihr der Präparator das Geld, um ihr damit einen neuen Wandergewerbeschein und die Existenz zu finanzieren. Später wird er herausfinden, dass sie mit seinem Geld ihre Vorstrafe bezahlt hat, und erstattet Anzeige gegen sie. Elisabeth wird wegen Betrugs zu vierzehn Tagen Gefängnis verurteilt. Aber sie gibt die Hoffnung nicht auf. Sie lernt vor dem Wohlfahrtsamt einen jungen Polizisten kennen und verliebt sich in ihn. Doch als der von ihren Vorstrafen erfährt, verlässt er Elisabeth aus Angst um seine Karriere. Verzweifelt und völlig entkräftet sieht die junge Frau bald keinen Ausweg mehr.

Ödön von Horváth schrieb GLAUBE LIEBE HOFFNUNG zusammen mit dem Gerichtsreporter Lukas Kristl. Ziel war es, sich einmal mit den kleinen Verbrechen, denen, die aus der absoluten Not der Zeit heraus geschehen, auseinander zu setzen. Eine kleine Verfehlung führt dazu, dass in diesem »kleinen Totentanz« eine junge Frau versucht anständigzu bleiben und doch stellvertretend für eine ganze Gesellschaft dem Abgrund entgegen taumelt. Nachdem Heinz Hilperts geplante Uraufführung des Stückes 1933 von den frisch gewählten Nationalsozialisten verboten wurde, ermöglichte er 1954 die Deutsche Erstaufführung am Deutschen Theater in Göttingen.