Premiere: 2. Oktober 2009
Hochmoderne Forschungseinrichtungen, Subkultur, altehrwürdige Institute und neue Elitestudiengänge liegen in Göttingen nah beieinander und schaffen der Studentenstadt in der aktuellen
Bildungsdebatte einen klaren Standortvorteil. Doch was heißt eigentlich Elite? Wie verändert sich der Bildungsbegriff? Und was bedeutet es heute, als Studierender zu leben?
Die Schauspieler Karl Miller und Anja Schreiber gründen die Akademie der Dilettanten, um sich des Forschungsgegenstands „Student“ anzunehmen. Mit unzensierter Neugier und unermüdlichem
Forschergeist stürzen sie sich in das Lebensumfeld der Göttinger Studierenden und ergründen in intensiven Feld- und Selbstversuchen den archetypischen Vorgang des Lernens. Ob sie sich dem
Erlernen einer Fremdsprache oder eines Instruments widmen, die Unibibliothek oder das Autonomicum erkunden, Mediziner oder Kulturanthropologen befragen – immer steht auch die Frage nach dem
Blickwinkel des Forschers selber im Raum. Ihre Ergebnisse präsentieren die beiden in einer Lecture Performance direkt an Ort und Stelle im alten Anatomiesaal der Göttinger Universität.
Mensa-Suche mit eingeschränktem Blickfeld und Helmkamera. Umfrage im Fitnessstudio der Universität nach Elite. Entwicklung von Anpassungsstrategien. Recherche von Verhaltensregeln. Vorsprechen in Wohngemeinschaftswelten mit Ideologie oder fehlendem Ordnungssinn. Schreiber und Miller sind eingetaucht in das studentische Leben. Sie haben getestet, und dabei herausgefunden: Letztlich dreht sich alles nur um Credits. (...)
Regisseurin Fillmann hat aus der Fülle an Material, das bei der Feldforschung zusammen gekommen ist, einen abwechslungsreichen, multimedialen Abend mit Erkenntnisgewinn entworfen. Denn neben viel Spaß und Unterhaltung vermittelt Fillmann hier und da auch Bemerkenswertes: Der Traum vom Lernen als Persönlichkeitsentwicklung ist ausgeträumt.
Ob frisch gewichste Stehkragen-Juristen, Sinologie-Einführungskurs, Agrarwissenschaftsstudierende, deren Karomuster angeblich etwas über die Hektargröße des elterlichen Besitzes verrät - bei HOMEZONE bekommt so gut wie jede Fachrichtung ihr Fett weg. Die neue Zentralmensa wird mit der Erkenntnis verlassen, dass „there will always be Eintopf.“ Erste musikalische Gehversuche des Karl Miller - etwa mit dem zarten Klang einer vollgesabberten Posaune - werden unter Soft Skills verbucht und gnadenlos abgeprüft. Skills sind ohnehin das große Thema in diesem Stück, gleich hinter dem Leistungsdruck. (...)
Angenehm peinlich berührt fühlt man sich doch, betrachtet man sich selbst und vor allem: einen Großteil des bluffenden KommilitonInnen.Mobs vor dem geistigen Auge. Wenn die SchauspielerInnen etwa in rhythmischer Imitation zahlreiche Facetten des breiten Spektrums studentisch-lethargischer Lern-, Bluff- und Prokrastinationsweisen bündeln, enthüllen, auf die Spitze treiben und verfremden, dürfte der ein oder die andere sich selbst oder Mitstudierende wieder erkennen.