Michael Laages (Deutschlandfunk) über die Inszenierung:
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/03/13/dlf_20110313_1748_0dee1a79.mp3
STIMMUNG! Dass man die Feste feiern soll wie sie fallen ist eine alte deutsche Weisheit, die für alle Zeiten, ob Vor- oder Nachkriegszeiten, gleichermaßen gilt: „Jetzt wird auf die Pauke
gehau’n!“ sang Wolfgang Neuss und haute drauf. Kongenial kommentierte er mit Wolfgang Müller vierzig Jahre deutsche Geschichte in der Filmsatire WIR WUNDERKINDER aus dem Jahr 1958. Im
Mittelpunkt stehen dabei die Lebensläufe zweier Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine, ein Stehaufmännchen, schwimmt dank seines opportunistischen
Anpassungsvermögens immer auf der Welle des Erfolgs. Ob im Kaiserreich, den Zwischenkriegsjahren, in der Nazidiktatur oder der Wirtschaftswunderzeit, Bruno Tiches weiß, wie man um jeden
Preis nach oben gelangt und dort bleibt. Der andere, Hans Boeckel, bleibt lieber anständig und geht dabei oft leer aus. Während man der Verfilmung von Hugo Hartungs gleichnamigem Roman
hierzulande vorwarf, Geschichte zu verharmlosen, verkannte man, dass sich der eigentliche Fokus der Kritik des Films auf die Gegenwart bezog, nämlich das bruchlose „Weiter so“ vieler
Kriegsprofiteure unter falschem Namen.
Das 2003 gegründete Theaterkollektiv andcompany&Co. wird den von der Göttinger Filmaufbau GmbH produzierten Film inhaltlich ins Heute weiterdenken. Zugleich werfen sie einen Blick
zurück auf Göttingen als „Hollywood an der Leine“ und die 1950er Jahre, als die Wunder, ob als „Wunder von Bern“, „Wirtschaftswunder“ oder „deutsches Fräuleinwunder“ Hochkonjunktur
hatten. Daraus entsteht eine Collage aus Fakten und Fiktionen, die andcompany&Co. mit Bruchstücken ästhetischer und philosophischer Entwürfe des 20. und 21. Jahrhunderts verweben.
Gewürzt mit einer Prise Wolfgang Neuss und garniert mit den Kultsongs aus dem Film wird daraus eine außergewöhnliche satirische Revue quer durch die deutsche Geschichte des 20.
Jahrhunderts.
Für die Inszenierung von WUNDERKINDER zeichnet das internationale Theaterkollektiv andcompany&Co. verantwortlich. Die 2003 gegründete Gruppe wird dabei den Film inhaltlich ins Heute weiterdenken und zugleich die Umstände seiner Entstehung und die kontroverse Rezeption des Films in Form eines außergewöhnlichen Theaterabends auf die Bühne des Deutschen Theaters in Göttingen bringen. andcompany&Co. sind vor allem bekannt für ihr humorvolles Spiel mit Fakten und Fiktionen, das Bruchstücke ästhetischer und philosophischer Entwürfe des 20. Jahrhunderts musikalisch verdichtet. Neben ihrem Produktionsschwerpunkt am Theater Hebbel am Ufer in Berlin, wo die Gruppe artist-in-residence ist, entstanden zuletzt Arbeiten am jungen schauspielhannover und Staatstheater Stuttgart, für die sie von den Lesern der Internet-Seite nachtkritik.de zweimal hintereinander auf Platz zwei des virtuellen Theatertreffens gewählt wurden. Im Sommer 2010 waren andcompany&Co. auf Einladung des Goethe-Instituts São Paulo in Brasilien, um dort mit lokalen Schauspielern das FATZER-Fragment von Bertolt Brecht zu inszenieren. Im Januar 2011 hatte ihre Inszenierung von J.M.R Lenz‘ Dramenfragment PANDÄMONIUM GERMANICUM am Berliner Hebbel am Ufer-Theater Premiere.
„Ein frecher schneller Abend - Deutsches Theater Göttingen spielt Kurt Hoffmanns 'Wir Wunderkinder'“ (Radiobeitrag)
„Das Regieteam andcompany&Co. setzte im Deutschen Theater in Göttingen seine Uraufführung 'Wunderkinder' mit kreativem Chaos auf die Bühne. (...) Das auch für die Texte verantwortliche Berliner Regieteam zieht alle Register, wartet mit aberwitzigen Bezügen auf. Chapeau.“
„'Stimmung!' steht auf dem Programmheft, und davon gab's genug in der von Hans Kaul musikalisch begleiteten Uraufführung. Nicht zuletzt durch ein furios aufspielendes Ensemble: allen voran das stehaufmännchen Bruno von Florian Eppinger, sein ehrenwerter Gegenspieler Hans Boeckel von Gerrit Neuhaus, Andrea Strubes auftrumpfende Lebenskünstlerin Frau Meisegeier und die niedliche Kirsten von Marie-Isabel Walke. Und wie Lutz Gebhardt den Bruno Ganz mimt, war schon hinreißend. Applaus nach einem Zwei-Stunden-Geschichtsunterricht der anderen Art. Hier wurden die Schrecken weggelacht.“
„Es gehört zu den echten Überraschungen der Produktion am Deutschen Theater, dass sich Nicola Nord und Alexander Karschnia, Musiker Sascha Sulimma und Bühnenbildner Jan Brokof, die Ideenstifter im Berliner Off-Kollektiv 'andcompany&Co.', über weite Strecken extrem eng an die Geschichte gehalten haben, wie der Film sie erzählt nach dem prächtigen Roman des Nachkriegssatirikers Hugo Hartung. (...) Hier und mit dem enorm animierten Ensemble am Deutschen Theater in Göttingen verlässt sich das Produktionsteam womöglich zum ersten Mal ganz und gar der Vorlage und rückt der mit der Company-Strategie des forciert naiven Bildtheaters zu Leibe. Nur wo es mehr oder minder dringend nötig erscheint, greift die 'andcompany' gedanklich ein, ergänzt und erweitert sie die pfiffige Filmgeschichte.“
„Wie Hoffmanns Film mit Neuss und Müller die Spitzen des Kabaretts jener Jahre mit Spitzen zur deutschen Nachkriegsaktualität ausstattete, so mausern sich die Göttinger 'Wunderkinder' zur klug dosierten Kabarett-Revue. (...) Aber nie bricht der freche schnelle Abend unter Theorie zusammen und erobert stattdessen ein feines, kleines Stadttheater mit der Geschichte eines großen deutschen Films.“
„Intellektuell und witzig, politisch und unterhaltsam.“